Autor: Technische Abteilung Mycond
Der häufigste Fehler bei der Auslegung von Entfeuchtungssystemen ist die ausschliessliche Konzentration auf die mechanische Ausrüstung. Ingenieure ignorieren oft architektonische Besonderheiten und Managemententscheidungen, die direkt die Feuchtelast des Systems beeinflussen. Ein systemischer Ansatz für die Auslegung von Feuchtekontrollsystemen erfordert die Berücksichtigung aller Faktoren und das Durchlaufen von fünf aufeinanderfolgenden Phasen.

Erste Phase: Zieldefinition des Projekts
Warum das kritisch wichtig ist
Ohne das Verständnis des grundlegenden Bedarfs an Feuchtekontrolle ist es unmöglich, richtige Entscheidungen bezüglich Regelgenauigkeit, Gerätetyp und Budget zu treffen. Die Zieldefinition ist der Ausgangspunkt, der alle weiteren technischen Entscheidungen prägt.
Praxisbeispiel: unterschiedliche Ziele — unterschiedliche Lösungen
Fall 1: Lagerung von Mais, bei der es genügt, die Feuchte bei maximal 60 % RH ohne Kondensation zu halten. Das System kann so einfach wie möglich sein — ein preiswerter Kondensationsentfeuchter mit einfachem On/Off-Hygrostat.
Fall 2: Produktion von Lithiumbatterien, bei der Lithium bereits bei 2 % RH mit Wasserdampf unter Freisetzung von explosionsgefährlichem Wasserstoff reagiert. Ein Regler mit ±5 % RH Genauigkeit ist völlig inakzeptabel; es ist spezialisierte Ausrüstung mit hoher Präzision erforderlich, unabhängig von den Kosten.
Realer Fall eines misslungenen Designs
Ein militärisches Munitionslager hatte die technische Vorgabe „maximal 40 % RH aufrechterhalten“. Das System erfüllte diese Anforderung exakt, aber die Munition korrodierte dennoch. Grund: Kondensat auf dem Metalldach, das sich nachts unter den Taupunkt abkühlte. Wäre das Ziel als „Vermeidung von Munitionskorrosion“ formuliert worden, hätte der Ingenieur die Kondensation auf kalten Oberflächen beachtet und nicht nur die Luftparameter.
Praktische Empfehlungen
Bei der Zieldefinition der Entfeuchtung ist wichtig zu klären: Welches Grundproblem soll gelöst werden? Welche Folgen hat unzureichende Feuchtekontrolle? Gibt es alternative Ursachen des Problems ausser hoher Feuchte? Wie kritisch sind Abweichungen von den Sollwerten?
Zweite Phase: Festlegung von Regelwerten und Toleranzen
Definition der absoluten Feuchte
Ein häufiger Fehler ist die Spezifikation der Feuchte nur in % RH ohne Temperaturangabe. Beispiel: 30 % RH bei 21 °C entsprechen einer absoluten Feuchte von 4,6 g/kg, während 30 % RH bei 10 °C nur 2,3 g/kg bedeuten. Regel: Feuchte immer in absoluten Einheiten definieren oder RH zusammen mit einem Temperaturbereich angeben.
Beispiel: In der pharmazeutischen Produktion erfolgt das Tablettieren bei 10 % RH und 21 °C. Die Temperatur schwankt um ±1,5 °C, wodurch die absolute Feuchte von 1,4 g/kg bei 19,5 °C bis 1,7 g/kg bei 22,5 °C variiert. Lösung: Der Ingenieur stellt die Regelung auf einen Taupunkt von −7 °C (1,6 g/kg) ein, unabhängig von Temperaturschwankungen.

Innere vs. äussere Bedingungen
Bei der Auslegung eines Entfeuchtungssystems müssen zwei Sets von Auslegungsbedingungen berücksichtigt werden: interne (Zielparameter mit Toleranzen) und externe (Witterungsbedingungen).
Auswahl der Auslegungs-Wetterbedingungen
Für Europa werden gemäss ASHRAE drei Sicherheiteniveaus verwendet: 0,4 % (wird 35 Stunden pro Jahr überschritten), 1,0 % (88 Stunden) und 2,0 % (175 Stunden). Beispiel: Für Wien beträgt der extreme Taupunkt bei 1 % Sicherheit +16 °C bei einer Temperatur von +30 °C. Für kritische Prozesse, wie die pharmazeutische Produktion mit Stillstandskosten über € 40'000 pro Tag, wird 0,4 % verwendet. Für ein Lager mit geringer Kritikalität reichen 2 % aus.
Festlegung von Toleranzen
Grosse Toleranzen (±3–5 % RH oder ±1,5 °C Taupunkt) erlauben einfachere Systeme mit geringeren Kosten. Enge Toleranzen (±1 % RH oder ±0,5 °C Taupunkt) erfordern hochpräzise Sensoren, komplexere Regelalgorithmen, Redundanzen und führen zu deutlich höheren Systemkosten.
Dritte Phase: Berechnung der Feuchtelasten
Hauptquellen der Feuchte
Diffusion durch die Gebäudehülle, Verdunstung durch Personen, Desorption aus Materialien und Produkten, Verdunstung von offenen Oberflächen, Verbrennungsprodukte, Infiltration durch Leckagen, Feuchte der Zuluft — diese Komponenten sind bei der Berechnung der Feuchtelast des Systems zu berücksichtigen.
Formeln zur Berechnung der Hauptlasten
Diffusion durch Wände: W = A × μ × Δpᵥ, wobei A — Fläche, μ — Dampfdurchlässigkeitskoeffizient, Δpᵥ — Differenz der Partialdrücke. Für eine 200-mm-Betonwand mit dampfbremsender Farbe (μ = 0,054 g/(m²·h·Pa)) bei einer Feuchtedifferenz von 16–4 g/kg und einer Fläche von 100 m²: Δpᵥ = 12 × 133 = 1596 Pa, W = 100 × 0,054 × 1596 = 8,6 g/h, was im Vergleich zu anderen Quellen gering ist.
Feuchteabgabe von Personen: W = n × wₚ, wobei typische Werte für wₚ sind: sitzende Tätigkeit 40–50 g/h, leichte körperliche 90–120 g/h, schwere körperliche 150–200 g/h.
Infiltration durch geöffnete Türen: W = ρ × V × n × t × (wₑₓₜ - wᵢₙₜ). Für Türen 2×2,5 m (V = 10 m³) bei 15 Öffnungen pro Stunde zu je 30 Sekunden, aussen 16 g/kg, innen 4 g/kg: W = 1,2 × 10 × 15 × 0,0083 × 12 = 18 g/h. Bei 3 Minuten Öffnungszeit: W = 108 g/h. Die Verkürzung der Öffnungszeit von 3 auf 0,5 Minuten reduziert die Last um den Faktor 6.
Praxisbeispiel: Kühllager
Kühllager mit Abmessungen 75×23×4,3 m, Innenbedingungen +2 °C mit Taupunkt −9 °C (2,0 g/kg), aussen +28 °C mit Taupunkt +16 °C (11,4 g/kg). Zwei Tore 3×3 m, 15 Verladungen pro Stunde, Öffnungszeit 1 min.
Berechnung: Diffusion durch Wände ~100 g/h, Infiltration durch Tore V = 18 m³, W = 1,2 × 18 × 15 × (1/60) × 9,4 = 61 g/h. Wären die Tore je 3 Minuten offen: W = 152 g/h. Die Reduktion der Öffnungszeit senkt die Last um 60 % und ermöglicht den Einsatz eines Systems mit halber Leistung.

Vierte Phase: Gerätauswahl
Wahl des Systemtyps
Kältebasierte Entfeuchtungssysteme sind effizient bei Temperaturen >15 °C und hoher Feuchte. Praktische Taupunktgrenze +4…+7 °C, darunter gefriert das Kondensat. Desiccant-Systeme (Adsorptions-) Systeme sind effizient bei niedrigen Taupunkten +5 °C, arbeiten bei beliebigen Temperaturen und können Taupunkte von −40 °C und tiefer erreichen.
Kombinierte Systeme
Die optimale Lösung für viele Aufgaben ist ein kombiniertes System: Vorkühlung von +16 °C auf +7 °C mit einer Kälteanlage, anschliessend Entfeuchtung mit Desiccant von +7 °C auf −7 °C. Vorteile: Jedes Teilsystem arbeitet im optimalen Bereich, der Gesamtenergieverbrauch ist 30–40 % niedriger als bei einer Monotechnologie.
Berechnung des erforderlichen Trockenluftvolumenstroms
Formel: Q = W / [ρ × (wᵣₑₜᵤᵣₙ - wₛᵤₚₚₗᵧ)]. Beispiel: Last 200 g/h, Regelung auf 4 g/kg, der Entfeuchter liefert Luft mit 0,7 g/kg. Q = 200 / [1,2 × 3,3] = 50,5 m³/h.
Auswahl der Entfeuchterleistung
Schlüsselparameter eines Adsorptionsentfeuchters: Luftgeschwindigkeit durch das Desiccant 400–600 m/min (optimaler Bereich); Regenerationstemperatur 120–250 °C; Verhältnis Prozess/Regeneration von 3:1 bis 5:1. Der Ausgangstaupunkt hängt von Geschwindigkeit und Temperatur ab: bei 400 m/min und 190 °C wird −15 °C erreicht, bei 250 °C −25 °C; bei 600 m/min und 190 °C −10 °C, bei 250 °C −18 °C.
Fünfte Phase: Steuerungssystem
Grundprinzipien der Regelung
Das Steuerungssystem muss die Einhaltung der Sollwerte sicherstellen, die Leistung bei variablen Lasten modulieren, den Energieverbrauch minimieren und die Ausrüstung vor Betriebsstörungen schützen.
Typen von Feuchtereglern
On/Off-Hygrostat mit ±3–5 % RH Genauigkeit eignet sich für unkritische Räume. Taupunktregler mit ±0,5–1,0 °C Genauigkeit ist unabhängig von der Lufttemperatur und für Taupunkte unter +5 °C zu empfehlen. PID-Regler mit Modulation gewährleistet ±1 % RH oder ±0,3 °C Taupunkt und ist für kritische Anwendungen erforderlich.

Platzierung der Sensoren
Kritische Regeln für die Platzierung von Feuchtesensoren: Der Sensor muss sich in einer Zone guter Luftdurchmischung befinden; Abstand mindestens 3 m von Ausblasgittern; Höhe 1,5–2 m über Boden; lokale Feuchtequellen vermeiden; Zonen mit extremen Temperaturen meiden. Für mehrzonige Räume sind mehrere Sensoren parallel zu installieren, wobei das System auf den höchsten Wert reagiert.
Schutz vor Kondensation
Zur Vermeidung von Kondensation auf kritischen Oberflächen werden Oberflächentaupunktsensoren eingesetzt mit dem Prinzip: Liegt die Oberflächentemperatur unter dem Taupunkt der Luft plus Sicherheitsaufschlag (2–3 °C), aktiviert das System die Entfeuchtung.
Systemoptimierung zur Minimierung der Kosten
Senkung der Investitionskosten
Minimierung der Feuchtelasten durch Gebäudedichtung (Amortisation 3–12 Monate), Steuerung der Türöffnungen, Installation von Luftschleiern oder Schleusen. Optimierung der Regelniveaus — jedes Grad Absenkung des Taupunkts erhöht die Kosten um 8–12 %, daher sollten übermässig strenge Anforderungen vermieden werden. Kombinierte Systeme bringen 20–35 % Einsparung gegenüber Monosystemen.
Senkung der Betriebskosten
Wärmerückgewinnung der Regeneration — ein Luft-Luft-Wärmetauscher gewinnt 60–80 % der Energie zurück, typische Einsparung 15'000–40'000 kWh/Jahr. Niedertemperatur-Wärmequellen — Kraft-Wärme-Kopplung, Geothermie, Abwärme von Kälteanlagen. Saisonale Optimierung — im Winter ist Aussenluft trockener als Innenluft, „free dehumidification“ reduziert die Last um 40–70 %.
Typische Planungsfehler
Fehler 1 — Unterschätzung der Infiltration. Beispiel: Ein Projekt mit berechneter Last von 3 kg/h hatte eine reale Last von 8 kg/h aufgrund ungeplanter Toröffnungen. Lösung: Für Produktionsbereiche 25–40 % Reserve einplanen.
Fehler 2 — Ignorieren der Anfangstrocknung. Neue Gebäude enthalten Baufeuchte. Beton und Gipskarton geben 100–500 kg Feuchte über 2–6 Monate ab. Lösung: Intensivtrocknungsmodus oder temporäre Zusatzleistung.
Fehler 3 — Falsche Platzierung der Sensoren. Beispiel: Ein Sensor nahe dem Auslassgitter des Entfeuchters zeigte 5 % RH bei 35 % RH in der Arbeitszone aufgrund schlechter Durchmischung. Lösung: Strömungssimulation oder Umluftventilatoren.
Fazit
Die fünfstufige Methodik zur Auslegung von Entfeuchtungssystemen basiert auf Schlüsselprinzipien: klares Ziel — Grundlage aller Entscheidungen; korrekte Regelniveaus — Balance zwischen Anforderungen und Kosten; genaue Lastberechnung — Voraussetzung für die richtige Auswahl; optimale Gerätewahl — Berücksichtigung des Lebenszyklus; durchdachte Steuerung — Minimierung der Betriebskosten.
Ein erfolgreiches Entfeuchtungsprojekt ist nicht das komplexeste System, sondern das einfachste System, das die Aufgabe zuverlässig mit minimalen Lebenszykluskosten erfüllt. Die durchschnittliche Amortisationszeit eines gut ausgelegten Entfeuchtungssystems beträgt 1,5–4 Jahre.