Autor: Technische Abteilung Mycond
Luft ist nicht nur ein Gasgemisch, sondern ein komplexes dynamisches System mit Wasserdampf, dessen Eigenschaften den Komfort von Menschen, den Energieverbrauch von Gebäuden und die Langlebigkeit von Konstruktionen direkt beeinflussen. Die Parameter feuchter Luft bestimmen alles: vom Gefühl der Schwüle in Innenräumen bis zur Kondensatbildung an Fenstern, von der Leistung der Klimaanlage bis zum Risiko der Schimmelbildung in Wänden. Für HLK-Ingenieurinnen und -Ingenieure (Heizung, Lüftung, Klimatisierung) ist das Wissen über diese Parameter das Fundament der beruflichen Tätigkeit, ohne das Systeme nicht korrekt geplant und praktische Aufgaben nicht gelöst werden können.
Betrachten wir sieben Schluesselparameter feuchter Luft, die die Grundlage für alle Berechnungen und ingenieurtechnischen Entscheidungen im Bereich des Raumklimas bilden.
Trockenkugeltemperatur
Die Trockenkugeltemperatur (T) ist die gewöhnliche Lufttemperatur, die wir mit einem haushaltsüblichen Thermometer messen, ausgedrückt in Grad Celsius (°C). Sie heisst „trocken“, um sie von der „feuchten“ Temperatur zu unterscheiden, auf die wir später eingehen. Diese Temperatur bestimmt massgeblich das Empfinden von Wärme oder Kälte.
Komfortnormen für Wohnräume liegen im Winter bei 20-22 °C und im Sommer bei 23-25 °C. Für Büroräume gilt eine Temperatur von 21-23 °C als optimal. Im psychrometrischen Diagramm ist die Trockenkugeltemperatur auf der horizontalen Achse aufgetragen, was es ermöglicht, Zustandsänderungen der Luft bei verschiedenen thermischen Prozessen zu verfolgen.
Relative Luftfeuchtigkeit
Die relative Luftfeuchtigkeit (RH oder φ) wird als Prozentsatz des maximal möglichen Wasserdampfgehalts bei gegebener Temperatur definiert und in Prozent (%) gemessen. Ein zentrales Merkmal dieses Parameters ist die starke Abhängigkeit von der Temperatur.
Beispielsweise hat Winterluft mit -5 °C und 80 % relativer Feuchte nach Erwärmung auf +21 °C (ohne zusätzliche Befeuchtung) nur noch etwa 20 % relative Feuchte, obwohl sich die absolute Wassermenge in der Luft nicht ändert. Das erklärt, warum sich Luft in beheizten Räumen im Winter oft als zu trocken anfühlt.
Der komfortable Bereich für den Menschen liegt bei 40-60 %. Unter 30 % treten Trockenheitsgefühle der Schleimhäute auf, Atemprobleme und elektrostatische Entladungen können entstehen. Werte über 70 % erzeugen ein Gefühl von Schwüle, fördern das Wachstum von Mikroorganismen und beschleunigen die Materialalterung. Im psychrometrischen Diagramm wird die relative Luftfeuchte durch gekrümmte Linien dargestellt.

Spezifische Feuchte
Die spezifische Feuchte (d, w oder x) ist die tatsächliche physikalische Menge an Wasserdampf in der Luft, ausgedrückt in Gramm Wasser pro Kilogramm trockener Luft (g/kg). Im Gegensatz zur relativen Luftfeuchte ist die spezifische Feuchte temperaturunabhängig, was sie zu einem praktischen Parameter für die Berechnung von Entfeuchtungs- und Befeuchtungsprozessen macht.
Typische Werte der spezifischen Feuchte:
- Trockener Wintertag: 2-4 g/kg
- Komfortbedingungen in Innenräumen: 6-9 g/kg
- Feuchter Sommertag: 12-18 g/kg
- Tropisches Klima: über 20 g/kg
Zur Berechnung der entfernten Feuchtigkeitsmenge wird die Formel verwendet: Δm = G × (d1 - d2), wobei G der Luftmassenstrom in kg/s ist und d1 bzw. d2 die Anfangs- und Endwerte der spezifischen Feuchte sind. Im psychrometrischen Diagramm wird die spezifische Feuchte auf der rechten vertikalen Achse aufgetragen.
Taupunkttemperatur
Die Taupunkttemperatur (Td) ist die Temperatur, auf die Luft abgekühlt werden muss, damit die Kondensation von Wasserdampf beginnt, gemessen in Grad Celsius (°C). Die physikalische Bedeutung ist einfach: Liegt die Temperatur einer Oberfläche unter dem Taupunkt der umgebenden Luft, bildet sich auf dieser Oberfläche Kondensat.
Ein klassisches Beispiel ist ein Glas mit kaltem Wasser, das in einem warmen Raum „schwitzt“. Für einen typischen Wohnraum mit 21 °C und 50 % RH liegt der Taupunkt bei etwa 10 °C. Das bedeutet, dass Oberflächen mit Temperaturen unter 10 °C Kondensat „einsammeln“, was im Winter zu kritischen Situationen an kalten Fenstern oder innerhalb der Wand führen kann.
Praktische Empfehlung von Ingenieurinnen und Ingenieuren: Die Temperatur aller Oberflächen im Raum sollte mindestens 2-3 °C über dem Taupunkt liegen, um Kondensation zu vermeiden. Im psychrometrischen Diagramm wird der Taupunkt auf der linken vertikalen Achse entlang der Sättigungslinie (100 % relative Luftfeuchte) bestimmt.

Partialdruck des Wasserdampfes
Der Partialdruck des Wasserdampfes (pv) ist der Druck, den die Wasserdampfmoleküle ausüben, gemessen in Pascal (Pa) oder Kilopascal (kPa). Jedes Wasserdampfmolekül „drückt“ auf die Umgebung, und die Summe dieser Kräfte bildet den Partialdruck.
Dieser Parameter ist besonders wichtig für das Verständnis der Feuchtediffusion durch Baukonstruktionen. Feuchte wandert von Bereichen mit höherem Partialdruck zu Bereichen mit niedrigerem. Im Winter „drückt“ die Druckdifferenz zwischen der warmen, feuchten Raumluft und der kalten, trockenen Aussenluft die Feuchte durch die Wände – ein Aspekt, der bei der Planung der Dampfsperre berücksichtigt wird.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Partialdruck und spezifischer Feuchte, der durch entsprechende Formeln ausgedrückt wird. Im psychrometrischen Diagramm verläuft die Skala des Partialdrucks parallel zur Skala der spezifischen Feuchte auf der rechten Seite.
Enthalpie
Die Enthalpie feuchter Luft (h oder i) ist die Gesamtenergie der Luft, die sowohl sensible Wärme (temperaturabhängig) als auch latente Verdampfungswärme umfasst, gemessen in Kilojoule pro Kilogramm (kJ/kg).
Zum Beispiel beträgt bei 21 °C und einer spezifischen Feuchte von 7,8 g/kg die Gesamtenthalpie ungefähr 41 kJ/kg, davon entfallen etwa 21 kJ/kg auf sensible Wärme und 20 kJ/kg auf latente Wärme. Wichtig ist zu verstehen, dass die Verdampfung von 1 kg Wasser rund 2500 kJ Energie benötigt, die im dampfförmigen Zustand „gespeichert“ wird.
Zur Berechnung der Leistung von Klimasystemen wird die Formel verwendet: Q = G × (h1 - h2), wobei G der Luftmassenstrom in kg/s ist und h1 bzw. h2 die Anfangs- und Endenthalpie darstellen. Im psychrometrischen Diagramm wird die Enthalpie durch diagonale Linien dargestellt, mit einer Skala oben links.
Feuchtkugeltemperatur
Die Feuchtkugeltemperatur (Tw) ist die Temperatur, die ein Thermometer anzeigt, das mit einem feuchten Gewebe umwickelt ist, durch das ein Luftstrom geführt wird, gemessen in Grad Celsius (°C). Das Wasser im Gewebe verdunstet, entzieht Wärme und senkt die Anzeige des Thermometers.
Für Luft mit 21 °C und 50 % RH beträgt die Feuchtkugeltemperatur etwa 15 °C. Im Grenzfall, wenn die relative Luftfeuchte 100 % erreicht, ist keine Verdunstung mehr möglich, und die Feuchtkugeltemperatur entspricht der Trockenkugeltemperatur.
Dieser Parameter hat zwei Hauptanwendungen:
- Messung der Luftfeuchte mit dem Schleuderpsychrometer (zwei Thermometer – trocken und feucht)
- Bewertung des Potenzials der Verdunstungskühlung – die minimale Temperatur, auf die Luft ohne mechanische Kälte ausschliesslich durch Wasserverdunstung gekühlt werden kann
Beispiel: Bei Hitze mit 35 °C und 30 % relativer Feuchte liegt die Feuchtkugeltemperatur bei etwa 22 °C, was bedeutet, dass sich die Luft um 10-11 °C allein durch Verdunstung von Wasser kühlen lässt. Dieses Prinzip wird in Kühltürmen und Systemen zur adiabatischen Befeuchtung verwendet. Im psychrometrischen Diagramm verlaufen die Linien der Feuchtkugeltemperatur nahezu parallel zu den Enthalpielinien.

Das psychrometrische Diagramm als Ingenieurwerkzeug
Das psychrometrische Diagramm ist ein grafisches Werkzeug, das alle sieben Parameter feuchter Luft verknüpft und es ermöglicht, aus zwei bekannten Grössen alle anderen zu bestimmen. Es vereinfacht Berechnungen erheblich und erlaubt die Visualisierung von Prozessen wie Erwärmen, Kühlen, Entfeuchten und Befeuchten.
Die nützlichsten Parameterkombinationen für praktische Aufgaben:
- T + RH — die einfachsten Messungen mit Standardgeräten
- T + Td — Kondensationskontrolle an Oberflächen
- T + d — Berechnung von Entfeuchtungs- und Befeuchtungsprozessen
Praktisches Beispiel: Abkühlung der Aussenluft mit 32 °C und 70 % RH auf 22 °C.
Analyse-Schritte:
- Ausgangspunkt im Diagramm finden (32 °C, 70 % RH)
- Anfängliche spezifische Feuchte bestimmen: ca. 22,5 g/kg
- Eine Kühlgerade (Temperaturabsenkung bei konstanter spezifischer Feuchte) bis zum Schnittpunkt mit der Sättigungslinie (100 % RH) ziehen
- Die Temperatur im Schnittpunkt ist der Taupunkt, etwa 26 °C
- Danach verläuft der Prozess entlang der Sättigungslinie bis 22 °C
- Endwert der spezifischen Feuchte bestimmen: ca. 16,5 g/kg
- Die Differenz der spezifischen Feuchte (22,5 - 16,5 = 6 g/kg) zeigt die kondensierte Wassermenge
- Anfangsenthalpie: ca. 97 kJ/kg, Endenthalpie: 64 kJ/kg
- Leistung der Klimaanlage: Q = G × (97 - 64) = G × 33 kJ/kg, wobei G der Luftmassenstrom ist
Typische Fehler im Umgang mit Parametern feuchter Luft
Ingenieurinnen, Ingenieure und Planende machen häufig folgende Fehler:
- Gleichsetzung der relativen Luftfeuchte mit der absoluten Wassermenge in der Luft
- Ignorieren der Änderung der RH beim Erwärmen der Luft (erwärmte Luft wird „trockener“)
- Unterschätzung der Partialdruckdifferenzen des Dampfes bei der Planung der Dampfsperre
- Nichtberücksichtigung der latenten Wärme in energetischen Berechnungen (besonders im Sommer)
Betriebliche Folgen von Fehlern
Eine falsche Berücksichtigung der Parameter feuchter Luft führt zu ernsthaften Problemen:
- Kondensation an Fenstern, Rohrleitungen und anderen kalten Oberflächen
- Feuchteakkumulation in Wand- und Deckenschichten, die zu Bauschäden führt
- Falsche Auslegung der Leistung von Entfeuchtungsgeräten
- Unbehagen der Bewohnerinnen und Bewohner aufgrund eines falschen Mikroklimas (übermässige Trockenheit oder Feuchte)
- Erhöhter Energieverbrauch durch nicht optimale Betriebsmodi der Anlagen

FAQ: Häufige Fragen zu feuchter Luft
Warum ist es im Winter in der Wohnung trocken, obwohl draussen die Luftfeuchtigkeit hoch ist?
Kalte Aussenluft mit 80 % relativer Feuchte bei -5 °C enthält nur etwa 2,5 g/kg Wasser. Wird sie auf 21 °C erwärmt, ohne Feuchte zuzuführen, sinkt die relative Feuchte auf 20 %, weil warme Luft deutlich mehr Wasserdampf halten kann.
Wie lässt sich der Taupunkt schnell ohne Geräte abschätzen?
Zur groben Abschätzung hilft die Faustregel: Bei Raumtemperatur (20-25 °C) und normaler Feuchte (40-60 %) liegt der Taupunkt etwa 8-12 °C unter der Lufttemperatur. Bei 22 °C und 50 % RH beträgt der Taupunkt z. B. rund 11 °C.
Was ist latente Wärme und warum ist sie wichtig?
Latente Wärme ist die Energie, die für die Verdampfung von Wasser aufgewendet und im dampfförmigen Zustand „gespeichert“ wird. Bei der Kondensation wird diese Energie frei. Sie macht im Sommer bis zu 50 % der gesamten Kühllast aus, weshalb ihre Nichtberücksichtigung zu gravierenden Fehlern bei der Leistungsberechnung von Klimasystemen führt.
Worin unterscheidet sich die spezifische Feuchte von der relativen Luftfeuchte?
Die spezifische Feuchte (g/kg) ist die tatsächliche Wassermenge in der Luft und temperaturunabhängig. Die relative Luftfeuchte (%) ist der Sättigungsgrad der Luft mit Wasserdampf relativ zum Maximum bei gegebener Temperatur und daher stark temperaturabhängig.
Warum wird für Entfeuchtungsberechnungen die spezifische Feuchte und nicht die relative Luftfeuchte verwendet?
Die spezifische Feuchte zeigt die reale Wassermenge, die entfernt werden muss. Die relative Luftfeuchte lässt sich durch einfaches Erwärmen senken, ohne Wasser zu entfernen, weshalb sie die Entfeuchtungswirksamkeit nicht abbildet.
Was bedeutet die Sättigungskurve im psychrometrischen Diagramm?
Die Sättigungskurve (Linie 100 % relativer Luftfeuchte) zeigt die maximale Wassermenge, die Luft bei unterschiedlichen Temperaturen halten kann. Beim Überschreiten dieser Kurve beginnt die Kondensation. Das Abkühlen der Luft unter den Taupunkt ist immer mit Kondensatanfall verbunden.
Fazit: praktischer Nutzen der Parameter feuchter Luft
Jeder der betrachteten Parameter ist ein wichtiges Werkzeug zur Lösung konkreter ingenieurtechnischer Aufgaben:
- Trockenkugeltemperatur — zentraler Parameter zur Sicherstellung des thermischen Komforts
- Relative Luftfeuchtigkeit — Indikator für Komfort sowie Risiken für Materialien und Konstruktionen
- Spezifische Feuchte — Schluesselparameter für die Berechnung von Entfeuchtungsprozessen
- Taupunkttemperatur — kritischer Parameter zur Vermeidung von Kondensation
- Partialdruck des Wasserdampfes — Grundlage für die Planung der Dampfsperre
- Enthalpie — Fundament energetischer Berechnungen von Klimasystemen
- Feuchtkugeltemperatur — Schluessel zur Bewertung des Potenzials der Verdunstungskühlung
Die professionelle Beherrschung dieser Parameter ermöglicht HLK-Ingenieurinnen und -Ingenieuren, energieeffiziente Systeme zu entwickeln, ein komfortables Raumklima zu gewährleisten und Problemen vorzubeugen, die mit übermässiger Feuchte oder Trockenheit der Luft verbunden sind.